© Tina Wiegand
Zeitgemäss gehorsam amerikanisiert hat ein sich ein neues Un-Wort Zutritt in unseren orwellschen Neusprech gebahnt. Der „Black Friday“ wurde fast unbemerkt eingeführt, um unsere Charakterschwächen weiter zu bedienen. Es wird uns eindrücklich vor Augen geführt, wer an anderen Tagen zu viel für seine Waren verlangt und an diesem speziellen Tag gerne viel billiger verkauft.
In der Transaktionsanalyse gibt es das Wort „Discounting“ (dt. Abwertung) für die Verdrängung von Inhalten, die gerade nicht ertragen werden. Interessantweise geht man zum Discounter, wenn man abgewertete Waren von entwerteten und existenziell gefährdeten Produzenten kaufen möchte, um seinem Geiz zu frönen. Wer seinen SUV vor dem Aldi parkt, gibt damit auf alle Fälle seinem Zynismus Ausdruck. Nur noch mal zum näheren Verständnis: wer billig einkauft, obwohl er sich etwas anderes leisten kann, nimmt anderen etwas weg und entwertet deren Leistung! Und nein, das ist kein Kavaliersdelikt sondern ein aktiver Beitrag zum Zusammenbuch unserer Wirtschaft.
Nun wird – wie überall wo Gier und Geiz eine Rolle spielen – dem Zynismus durch einen weiteren Begriff Vorschub geleistet: Der Begriff „Black Friday“ hat nämlich durchaus eine tiefere Bedeutung.
ist die Bezeichnung eines Freitags der wegen eines Unglücks als besonders denkwürdig erachtet wird. Dass geschichtlich bedeutsame Unglückstage von den Zeitgenossen als Schwarze Freitage bezeichnet wurden, lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. In der neueren Geschichte erinnert der schwarze Freitag den Kollaps des Bankwesens und Wirtschaftslebens, der ungezählte Leben gekostet hat.
Weltweite Verbreitung fand der Begriff im Zusammenhang mit der amerikanischen Finanzkrise vom 24. September 1869. Diese Krise wurde, wie alle anderen, durch die Gier von Spekulanten ausgelöst. Unverantwortliche Zocker gab es immer schon. Die Unternehmer Jay Gould und James Fisk hießen die beiden unersättlichen Kameraden. Der amerikanische Schriftsteller Frederic Steward Isegrim machte diesen Skandal zum Gegenstand seines 1904 erschienenen Romans Black Friday, der 1916 als Stummfilm verfilmt wurde.[9]
Freitag der 25. Oktober ist heute noch der Zusammenbruch der New Yorker Börse 1929 bekannt, der die Weltwirtschaftskrise auslöste. In der Folge verhungerten auch hier in Deutschland tausende von Menschen in den Straßen. Millionen stürzen in die existenzielle Armut. Auf der ganzen westlichen Welt zerbrachen Existenzen aufgrund der Spekulationen der Finanzimperialisten, die bereits den nächsten Krieg geplant hatten. In einer Zeit des seelenlosen Globalismus, der dem schnöden Mammon ergeben dient und alles Leben in Geld verwandelt, finden die Opfer aber keine Erwähnung. Da, wo Geld sich häuft, verändern die Kleptokraten die Geschichte, um ihr kriminelles Handeln zu vertuschen. Den schwarzen Freitag in eine Einkaufsorgie zu verwandeln, ist sicherlich ein kreativer Einfall der ansonsten entleert- tumben Hochfinanz.
Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass die vielen Essgestörten Jugendlichen und die veganistischen Fanatiker, die mit ihren krummen Beinen nicht selten an Rachitisopfer erinnern, versuchen, den Opfern von damals ein pathologisches Denkmal zu setzen.
Als Schwarze Freitage wurden außerdem zahlreiche Krisentage der politischen Geschichte bezeichnet. So gilt der 14. Oktober 1881 als Schwarzer Freitag in der Geschichte der schottischen Fischerei, da an diesem Tag beim Unglück von Eyemouth insgesamt 189 Fischer ihr Leben durch eine Sturmkatastrophe verloren. Am Freitag dem 8. September 1978, kam es auf dem Jaleh-Platz in Teheran im Iran zu einem Schusswechsel zwischen Armee und Demonstranten gegen die Regierung von Schah Reza Palevi, an dessen Ende 64 Tote zu beklagen waren. Seit diesem Vorfall wird dieser Tag im Iran als Schwarzer Freitag bezeichnet. Fügt man noch die Terroranschläge vom Freitag den 13.11.2015 in Paris hinzu, so wird die orwellsche Verzerrung des neuen Gib-ist-Geil Orgasmus perfekt. Es handelte sich dabei um koordinierte, islamistisch motivierte Attentate an acht verschiedenen Orten. Dabei wurden 130 Menschen getötet und 683 verletzt, darunter mindestens 97 schwer. Außerdem starben sieben der Attentäter in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Attacken. Die Medien nutzen auch für diesen Vorfall den der Begriff Schwarzer Freitag.
Wer abergläubisch ist, sollte also nicht am schwarzen Freitag einkaufen, denn die Missachtung der Schicksale von Millionen Toten, die an Schwarzen Freitagen ihr Leben verloren, könnte sich durch Gegenwehr des Unbewussten rächen. Den Anbietern, die den Black Friday für ihre Bereicherung benutzen, sei eine Charakterschwäche bescheinigt. Die geistlosen Konsumenten sind vom Geiz infiziert. Triebhafte Pandemie könnte man der Bevölkerung bescheinigen und diese ist in der Regel alles andere als gesund. Der Preis wird eines Tages eingefordert. Es ist anzunehmen, dass dieser die Einsparungen des Black Friday übersteigt, denn die Mensch*in erntet, was sie sät.
Viel schwerer hingegen wiegt die Normalität dieser Emapthielosigkeit, der kollektiven Charakterschwäche, die von der Politik nicht im Ansatz als Problem verstanden wird. Wie auch, die Politiker stehen an der Spitze der Verlogenheit und Korruption. Die Kleptokratie greift sich alles, was sie kriegen kann, in der narzisstischen Verzweiflung des gottlosen Materialisten. Sie beraubt die Kinder, die Alten, die Kranken, die Schwachen und schreit dann „haltet den Dieb“, indem sie die Schwächsten als Problem und Täter bezeichnet. So die an Kriminalität grenzende raffgierige und eitle Chefin der europäischen Zentralbank Lagarde. Sie ist wohl, neben anderen, ein Paradebeispiel der Entartung.
Aber machen wir uns nichts vor. Auch die Politiker sind nur Symptome, denn die Ursache für die gesellschaftliche Schieflage liegt in der Verleugnung der Wahrheit der Vergangenheit. Wer die Wahrheit der Vergangenheit leugnet und den Opfern der Vergangenheit nicht die Ehre zugesteht, die ihnen gebührt, wird dem Irrsinn anheim fallen.
Ich habe dieses Jahr teure schwarze Kerzen für meinen Weihnachtskranz gekauft. Jedes mal, wenn ich sie anzünde, werde ich darum bitten, dass Licht in die dunklen Gemüter fällt. Es ist tröstlich zu wissen, dass die Dunkelheit das Licht nicht auslöschen kann. Auch wenn die Allgegenwärtigkeit von Irrsinn hin und wieder Angst macht: das Licht ist stärker. Das Land bedarf der Heilung und die ist wichtiger als Schelte, egal wie wütend die Situation macht. Irrsinn lässt sich nicht durch Schelte heilen, nicht durch Hass und Zerstörung. Aber kleine, freundliche Rituale können vielleicht dem kollektiven Feld eine Information geben und Black Friday ist ja Gott sei Dank vorbei.
1 Comment
Ich stimme Dir völlig zu, Tina. Ich habe letzes Jahr jeder einzelnen Firma, die mit mich solchen menschenverachtenden Angeboten bombardiert hat, eine E-Mail geschrieben, und über die Geschmacklosigkeit aufgeklärt. Ich habe sogar ein paar Entschuldigungs-E-Mails erhalten. Ich vermute, dass sich mehere Leute beschwert haben, da in diesem Jahr deutlich weniger Black Friday Angebote kamen – dafür jedoch vermehrt „Black-Week-Angebote“. Naja….
Ich kann mich übrigens erinnern, dass es mir früher schwer gefallen ist, das Wort „Irrsinn“ so oft zu lesen. Es macht nicht nur ein mulmiges Gefühl, sondern klingt auch krass. Inzwischen weiß ich: wenn man sich mit Psychopathologie beschäftigt hat, neigt man dazu, die Dinge beim Namen zu nennen. Denn nicht die Namen sind krass, sondern die Sachlage ist krass. Ganz ehrlich: was ist es anderes als Irrsinn, im Andenken an eine Weltwirtschaftskrise billig zu shoppen? Man versuche mal, dies einem Kind zu erklären. Das würde sich einfach nur wundern.
Gestern habe ich übrigens einen treffenden Ausdruck gehört: die dummen und frechen Aktionäre. Dumm sind sie, weil sie nichts können und eben tun, was sie tun. Und frech sind sie, weil sie eine Dividende haben möchten. Auch das ist nicht schön, aber im Grunde doch wahr. Ein Bekannter von mir sagte kürzlich stolz, dass er mit Aktien-Handel inzwischen mehr verdient, als in seinem Angestelltenjob. Dass er mit dem Aktienhandel seinen eigenen Arbeitsplatz verzockt – er kennt die Sparrunden im Unternehmen, die durch die Aktionäre ausgelöst werden – sieht er dabei nicht. Und der Zusammehang zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft ist dem studierten BWLer leider auch nicht klar.
Ich mache mit beim Kerzen-Anzünden.