von Tina Wiegand
Der befähigte Mensch erzeugt gesunde kollektive Systeme. Dadurch, dass der befähigte Mensch einen konkreten Bezug zu allem Not-wendigen hat, trifft er Entscheidungen, die die Not schnell wenden können. Der befähigte Mensch wird sich radikalen Kräften nicht so ohne weiteres hilflos ausgeliefert fühlen, sich angemessen abgrenzen und klare Entscheidungen für die Gesundheit und eine gesunde Entwicklung treffen. Welche Folgen es hat, wenn Menschen, so wie in unserer Gesellschaft, im großen Stil entfähigt wurden, habe ich schon in anderen Blogartikeln beschrieben.
Was aber müsste geschehen, damit Menschen wieder befähigt werden?
Wie begleitet man Menschen in ein mündiges, eigenverantwortliches und konstruktives Dasein, das für sie und andere lebens- und liebenswert ist?
Die Schule in der Neuen Welt folgt einem salutogenetischen Konzept, das Menschen befähigt, im Einklang mit ihrer wahren Natur und daher auch im Außen im Einklang mit der Natur zu leben. Die bisherigen Schulen sind nicht ganzheitlich ausgerichtet, sondern bereiten Kinder auf das Beamtendasein vor. Beamte sind aber Ausführer und keine eigenverantwortlichen Selbstdenker. Sie denken in engsten Schablonen der Verwaltung und werden dafür belohnt, dass sie andere in eben diese engstirnigen Schablonen pressen. Daher endet ein System, das von Beamten gesteuert wird, in einer menschenfeindlichen Reduktion des Geistes.
Versuchen wir uns also an einem menschenfreundlicheren Konzept.
Die Neue Schule beantwortet das natürliche Schlafbedürfnis der Kinder und beginnt erst um 9:00. Die Schule beantwortet ebenso die natürlichen Bewegungslust der Kinder und zwar in Form von Kampfsport. Im Judo Unterricht lernen die Kleinsten als erstes
Allein diese beiden ersten Lerninhalte, die nicht nur mental, sondern auch körperlich eingeübt werden, sind grundlegende Fähigkeiten, die bei der Lebensbewältigung im Sinne der Resilienz unbezahlbare Dienste tun. Wer fallen und aufsehen kann, wird weder sich noch andere in lebensfeindliche Sicherheitskäfige sperren.
Statt wilden Prügeleien und Aggressionen auf dem Schulhof, die im Moment von ungeübten überforderten Lehrern schwach und mit mangelhaftem Erfolg unterbunden werden, wird Körperbeherrschung geübt. Viele Aggressionen entstehen durch Traumata, die im familiären Umfeld entstehen. Der Kampfsport lehrt auf Körperebene Abgrenzung, die viele Kinder nicht gelernt haben. Im Körper gespeicherte negative Energien werden kanalisiert und umgelenkt. Selbstbeherrschung und Fairness entstehen ebenso wie eine gestärktes Selbst- und Körperbewusstsein, das daraus resultiert, sich durch eigene Körperkraft im Fall eines Falles Sicherheit schaffen zu können. Gelassenheit und Bereitschaft zur Deeskalation sind die Folge.
Zu dem Thema ließe sich noch vieles hinzufügen, was ich an anderer Stelle noch tun werde.
Nach dem Sport wird Körperpflege unterrichtet. Wüssten Sie es? 🙂
Es ist erstaunlich, wie wenig manche junge Menschen über Körperpflege wissen, geschweige denn darüber, dass Körper- und Gesundheitspflege ineinander übergehen. In der Neuen Schule wird das unterrichtet, bis Körperpflege für alle Kinder ein selbstverständliches, wohltuendes Ritual geworden ist, das sie eigenverantwortlich täglich gerne begehen.
Einmal in der Woche lernen bereits die Kleinsten, sich zu dehnen und über den Körper in die Ruhe zu kommen. Ob das nun allein durch Yoga oder andere Praktiken geschehen soll, kann im Einzelfall noch entschieden werden. Da Yoga eine der bekanntesten Methoden ist, wird hier darauf eingegangen.
Deutschland blickt auf eine lange und bewährte Tradition der Heilbehandlungen in Bädern zurück. Auch diesen Punkt möchte ich hier nur anreißen. In der Neuen Schule werden Naturwissenschaften wie Biologie, Physik und Chemie anhand greif- und erlebbarer Beispiele unterrichtet.
Dass viele Kinder in unserer Gesellschaft nicht schwimmen können, bringt sie immer wieder in Lebensgefahr. Die Neue Schule würde diese Fähigkeit nicht nur etablieren, sondern auch ein grundsätzliches Verständnis in Bezug auf eins unserer wichtigesten Lebenselexiere: das Wasser.
In der Neuen Schule wird Biologie anhand des Eigenanbaus und der Zubereitung von regionalem Gemüse gelehrt. Die Kindern kümmern sich unter Anleitung um die Gewächshäuser, säen, pflegen und ernten und lernen, welche Inhaltssoffe die Lebensmittel haben und wie man mit den Lebensmitteln umgeht. Auf spielerische Weise erfahren sie:
Essen ist mehr, als sich den Bauch mit Sättigungsmitteln zu füllen. Essen ist eine sinnliche Erfahrgung und, wenn es gemeinsam vollzogen wird, ein wesentlicher Bestandteil der Friedenspflege. Mittags essen alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam. Dabei werden die Lebensmittel auch rituell gewürdigt als etwas, was es zu ehren gilt. Es gibt jeden Tag Suppe und Salat, und das, was die Kids zubereitet haben. Freitags Fisch, Sonntags Fleisch und Mittwochs Hühnchen wäre beispielsweise denkbar. Damit wäre gesichert, dass alle Kinder vollwertig, gesund und ausreichend ernährt werden.
Im Wald wachsen viele Pflanzen, Käuter und Pilze, die die Ernährung bereichern können. Bei Freizeiten erleben die Kinder Ausflüge in die freie Natur und lernen, welche Pflanzen des Waldes essbar sind, wie man sich im Wald verhält, um die Tiere zu respektieren und wie man dort übernachten und sich orientieren kann. Der Wald ist ein Trainingsprogramm für die Kinder, damit ihr Selbst- und Naturbeswusstsein in unsere lebenserhaltende Umgebung wächst.
Über interaktive Medien werden die Erkenntnisse vertieft, die tagsüber erfahren wurden. Die Kleinen lernen über Dokumentation des Erlebten schreiben und lesen. Interaktive Programme erklären naturwissenschaftliche Zusammenhänge kindgerecht. In Gruppen erarbeiten die Kinder Tagesdokumentationen, damit das Erlebte auch kommuniziert werden kann. Bald kommen auch Fremdsprachen dazu. Die Älteren lernen alles über den Aufbau eines Computers, Soft- und Hardware und die Benutzung der digitalen Welt als Lernobjekt als einen konstruktiven Einstieg in die digitale Welt. Es wird der konstruktive Umgang mit digitalen Medien geübt, so, dass diese zum Werkzeug werden.
Danach kommen kreative Übungen ins Spiel. Die Kinder lernen mit den verschiedensten Materialien umzugehen und brauchbare Gegenstände zu erzeugen. Töpfereien, Holzarbeiten, Malen, Stricken, Häkeln, Nähen, mit Leder umgehen, später Löten, Schweißen und eine ausführliche Werkzeugkunde. Musik und Tanz werden angeboten und Mannschaftssport in Form von Ballspielen. In den ersten Jahren machen alle Kinder bei allem mit, damit jeder ein Grundverständnis von allem hat. Später werden Talentgruppen gebildet, die sich die Kinder selbst aussuchen.
In unserem jetzigen System sind die Schulgebäude ein Objekt, an dem Kinder und Jugendliche sich abreagieren und die Erwachsenen sich mit allen Mitteln gegen den Vandalismus wehren. In der Neuen Schule gehen täglich Schülergruppen mit den Hausmeistern durch das Gebäude und lernen, Dinge in Stand zu halten und zu reinigen. Dabei werden in der Anwendung wieder Physik und Chemie unterrichtet, etwa beim Umgang mit Farben und Lacken oder bei der Erzeugung ökologischer Putzmittel. Sie lernen thermische Zusammenhänge, indem z.B. die Funktion der Heizung erklärt wird und Grundlagen der Elektrizität, etwa wie eine Glühbirne funktioniert. Auch hier sind dem Lernwilligen keine Grenzen gesetzt und es wird erfahren und danach untersucht und verstanden, wie Gebäude funktionieren. Ziel ist ein Grundwissen über handwerkliche Fähigkeiten bzw. das Wissen, welche Tätigkeiten nur von Experten verrichtet werden können.
Die täglichen Erlebnisse werden von einem Tutorensystem unterstützt. Ab dem 11. Lebensjahr übernimmt jeder angehende Jungendliche einen Schützling und lernt nun, diesem zu erklären, was er selbst gelernt hat, vertieft so sein Wissen und lernt das lehren. Unterstützt wird er dabei von seinem eigenen Tutor, der nun eine beratende und coachende Rolle übernimmt, damit der Jüngere den Jüngsten gut unterstützen kann. Hier werden Führungskompetenz und Eigenverantwortung gelehrt und geübt und emotionale Kompetenz durch Konfliktlösungen eingeübt.
Wenn ein junger Mensch 15 wird, dann verlässt sein 20jähriger Tutor die Schule, weil sie/er den Abschluss gemacht hat. Dieses „Verlassen werden“ ist mehr, als nur verlassen werden. Es ist der Einstieg in die Erwachsenenwelt der „Älteren“. Solche Erlebnisse werden mit Einweihungsriten gefeiert, denn hier findet eine Beendigung des Kindseins statt und der bewusste Eintritt in ein verantwortungsvolle Erwachsenendasein, das sich nicht nur selbst weiter entwickelt, sondern sich auch um die Jüngeren und damit um das Funktionieren des Kollektivs kümmert.
Die Leistungsbeurteilung verändert sich dramatisch. Die Kinder und Jugendlichen lernen, sich selbst zu bewerten und diese Bewertung durch ein Feedback durch die Tutoren legitimieren zu lassen. Dabei sollen die Schüler selbst ein Gespür für ihre Talente bekommen und anerkennen, wenn ihnen etwas nicht so gut gelingt. Dabei gibt es keine Noten mehr, sondern Anweisungen, wie mit dem Ergebnis zu verfahren ist.
1 = Feiern und ausruhen
2 = Feiern und ausruhen, dann Fehler ausbessern
3 = Feiern und ausruhen, dann Fehler ausbessern und üben
4 = Feiern und ausruhen, dann Fehler ausbessern, üben und nachlernen, was fehlt
5 = Feiern und ausruhen, dann Fehler ausbessern, üben und doppelt nachlernen, was fehlt
Kindern die Zuneigung zu entziehen, weil sie eine Leistsung nicht erbracht haben, ist aus meiner Sicht übelste Kindesmisshandlung. Wer eine sechs geschrieben hat, leidet genug und braucht nicht auch noch hysterische Bestrafung durch inkompetente Lehrer und Eltern. Wer Fehler macht dem fehlt etwas, also ist hier die Etablierung sinnstiftender Fehlerkultur von Nöten. Es ist in der Neuen Schule nicht möglich, durchzufallen, es sei denn ein Kind lässt sich nicht davon abhalten, mutwillig zu schaden oder braucht anderweitige therapeutische Begleitung.
Je älter die Kinder werden, um so mehr Inhalte über das gesellschaftliche Leben werden ihnen beigebracht. Politische Zusammenhänge werden mit einer profunden Ausbildng über Propaganda und Medienmanipulation sowie Werbehypnose und andere manipulative Methoden verknüpft. Die Kinder und Jugendlichen lernen Medienbeiträge zu analysieren und zu recherchieren. In Schreibwerkstätten wird ihre Fähigkeit zu formulieren und Grundlagen der journalistischen Arbeit mitgeteilt. Auch Grundlagen der Geopolitik werden vermittelt.
Andere Workshops befassen sich mit Kultur, Kunstgeschichte und Archäologie, sowie Fremdsprachen und interkulturellen Trainings. Die Welt wird „größer“. Internationaler Austausch über digitale Medien wird angeregt und supervisioniert, Schüleraustausch wird angeregt. Auch digitale Medienkompetenz wird vermittelt. Während ca.1/3 der Zeit der Jugendlichen mit den bisher erklärten Themen verbracht wird, kommen nun Literatur und Phiosophie, sowie Ethik und Religionslehren hinzu.
Ich weiß nicht, wie vielen Lesern bewusst ist, wie sehr sexuelle Irrtümer das Leben von Menschen zerstören können. Sexualität ist eine starke Energie, die Menschen beglücken, aber auch in tiefste Abgründe stürzen kann. Hinter dem Scheitern von Beziehung stecken nicht selten psychologische Zusammenhänge, Familienkonflikte oder sogar transgenerationale Traumata. Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 15 wird oft nachgesagt, dass sie schwer oder gar nicht beschulbar seien. Das ist so nicht richtig. Vielmehr sind Jugendliche in dieser Zeit so mit ihren körperlichen Veränderungen und dem Beziehungsthema beschäftigt, dass für andere Themen kaum Platz ist.
Wer Leben bewältigen will, muss darin unterrichtet werden. Nicht wenige Beziehungen in unserer Gesellschaft sind schädigend ausgerichtet. Übermässige Kontrollsucht schränkt Entwicklung ein, Psychopathologien gefährden Leben. In meinem nächsten geplanten Buch über Toxische Beziehungen wird mehr dazu erklärt. Wenn die Zeit gekommen ist, Jugendliche in diesem Thema zu unterweisen, ist also besondere Sorgfalt gefragt. Zu den Lehrinhalten in dieser Zeit gehören neben dem Wiegandschen Lotus auch Inhalte wie Sexsucht, Abhängigkeitsverhältnisse in Beziehungen, Selbstdefinition und Beziehungsschwierigkeiten. Auch die Frage, wie Orientierung in der schwierigen Situationen gefunden werden kann, ist essentiell.
Diese Ideen sind mal ein erster Entwurf, in den ich mich noch weiter vertiefen werde. Deswegen ist dies der 1. Streich. Weitere werden folgen und vielleicht haben Sie ja Ideen, die Sie in den Kommentaren beitragen möchten.
Mal ganz ehrliche Frage an die Erwachsenen:
Wie wären wir in unsere Welt, wenn wir selbst all das in der Schule gelernt hätten? 🙂
Die Erwachsenenbildung könnte sehr von diesen Inhalten profitieren.
Schauen wir also zu, wie die Ideen weiter wachsen, bis aus der Idee ein Plan wird, dieser als Entwurf auf dem Papier landet und zu einer Unternehmung wird, die dann zum Erfolg führt. Was für ein schöner Weg.
In diesem Video über chinesische Astrologie wird beschrieben, dass das vor uns liegende Jahr ein „Ochsen-Jahr“ wird, in dem der bestehende Ackerboden gepflügt werden wird. Das wird wohl zu manchen Umwälzungen führen.
Lassen Sie uns also an Perspektiven arbeiten, die im folgenden Jahr als Samen ausgebracht werden können.
In diesem Sinne: frohes Schaffen in 2021.
3 Comments
Wunderbare Ideen für eine gesunde Schule. Man hat in der Tat nach den ersten Absätzen die Frage im Kopf: Wie würde unsere Welt heute aussehen, wenn wir Erwachsene bereits in so einer Schule gewesen wären.
Die Frage nach dem Kennenlernen der eigenen Talente und die Visualisierung der eigenen wünschenswerten Zukunft – ohne rationale-materialistische Begrenzung – wäre zwar etwas für höhere Schulstufen. Allerdings kann dieses Wissen sehr spielerisch von Klein auf positiv belegt werden, damit der Raum für die eigenen Lebensvorstellung „von innen“ heraus kommen darf und kann. Dieses Wissen um die Vorstellungen von der eigenen Zukunft fehlt heute an vielen Stellen und deshalb übernehmen das für sehr viele Menschen andere, die es dann sehr dominant anwenden: https://www.facebook.com/simone.rauch.94/posts/10158931627717418?comment_id=10158931768297418¬if_id=1609681690108356¬if_t=feed_comment&ref=notif
Ein toller Zusammenschnitt aus Montessori, Waldorf, Steiner und eigenen neuen Ideen. Eine Schule, die gerne und mit Freude besucht wird. Als weiteren Aspekt gilt es noch die Eltern so miteinzubeziehen, dass sie die Kinder in Ruhe und ohne den eigenen Druck lernen lassen. Vielleicht mit einen Reflektionsprozess zur eigenen Schulzeit oder Visionsarbeit wie sie Simone Rauch in Ihrem Link kurz beschrieben hat.
Sehr gute Ansätze. ABER: ich widerspreche ganz laut bei „wer Fehler macht, dem fehlt was“, Fehler gehören dazu. Nur, wer nichts macht, macht keine Fehler!
Das Notensystem ist auch noch nicht nach meinem Gefühl… Warum muss bewertet werden?
Das Koppeln der Theorie an die Praxis bei den Naturwissenschaften find ich super und die körperlichen Betätigungen!